Zeitzeugin Edith Erbrich im Gespräch

Am Donnerstag, dem 27.04.2017, war die Zeitzeugin Edith Erbrich im Rahmen unserer Jubiläumswoche zu Gast an unserer Schule. Schülerinnen und Schüler aus dem Projekt „Gesicht zeigen“ hatten das Gespräch vorbereitet, das auf großes Interesse stieß.

Edith Erbrich wurde 1937 in Frankfurt geboren und wuchs mit ihrer vier Jahre älteren Schwester in der Ostendstraße als Tochter einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters auf. Schon bald ereilte die Familie der Terror der Nationalsozialisten: die Mutter weigerte sich trotz Inhaftierung und Misshandlungen die Scheidung von ihrem jüdischen Ehemann einzureichen, den Töchtern wurde der Schulbesuch verboten und der „Judenstern“ musste sichtbar getragen werden. Immer mehr Freunden wurde der Kontakt zu den beiden Mädchen verboten: „Wir Kinder spielten dann heimlich miteinander.“

Am 14. Februar 1945 dann der schlimmste Tag: der Vater und seine Töchter wurden von Frankfurt aus in Viehwaggons ins Lager Theresienstadt deportiert. Die Mutter blieb zurück, da sie „Arierin“ war. Noch einmal wurden die kleinen Mädchen hochgehoben, um ihre Mutter aus der Luke des Viehwaggons heraus sehen zu können: „Da sah ich meine Mutter weinen.“

In den kommenden Monaten bis zur Befreiung in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1945 durchlitten die voneinander getrennten Mädchen und ihr Vater Angst, Heimweh, Misshandlungen und vor allem „Hunger, der immer da war“. Die kleine Edith durfte ihren Vater nur einmal pro Woche sehen und erlebte die schonungslose Grausamkeit der Aufseherinnen: „Einmal musste ich den ganzen Tag ohne Essen und Trinken mit einer Zahnbürste den Fußboden schrubben.“

Nach der Befreiung bringt der Vater in einem wochenlangen Fußmarsch die Mädchen mit einem Handkarren zurück nach Frankfurt. Dort versucht Edith Erbrich in ein „normales“ Leben zurück zu finden. Sie geht zur Schule und absolviert eine Ausbildung zur Industriekauffrau und lebt heute in Langen.

Über ihre traumatischen Erlebnisse in Theresienstadt hat sie über 50 Jahre lang nur mit ihrer Schwester sprechen können. Seit 2001 tritt Edith Erbrich als Zeitzeugin vor jungen Menschen auf und gibt damit Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von diesem menschenverachtenden Teil der deutschen Geschichte machen zu können. Sie berichtet aber auch von einigen wenigen „stillen Helfern und Helden“, die dem Terror Menschlichkeit und Wärme entgegenzusetzen versuchten.

Edith Erbrichs Vortrag über eine verlorene Kindheit und über den unfassbaren Rassenwahn der Nazis mit Ausgrenzung, Deportation und Vernichtung am Beispiel ihrer Familie war sehr bewegend. In beeindruckender Art und Weise sagt sie: „Ich hab‘ das Lachen nicht verlernt“, und so lautet auch der Titel ihrer Biographie.

Wir danken Frau Erbrich ganz herzlich für ihren Besuch, der uns allen eindringlich vor Augen geführt hat, wohin Intoleranz, Vorurteile und das Wegsehen einer Mehrheit führen können. Ein sehr wichtiger Beitrag gegen das Vergessen!

 

Von: Barbara Zins